Architectura Pro Homine - Forum für Klassische und Traditionelle Baukunst - www.aph-forum.de.vu

    

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Autor Mitteilung
PeterBerlin
Bronzenes Premium-Mitglied

Beiträge: 584


 

Gesendet: 19:03 - 06.08.2004

Weisser Wolf, schön dass du das ähnlich siehst. In Dresden haben wir die letzte Chance, eine Altstadt zu rekonstruieren - die ALLERletzte. Köln, Düren, Emden, Stuttgart, meine Heimatstadt Frankfurt am Main und unzählige andere sind bereits unwiderbringlich verloren.

@Claus
Nein, ich will überhaupt nicht ´Recht haben. Es gibt Fakten.

1) Fakt ist, dass wenn von 100 häusern
eines schlehct ist, und die anderen 99 sind gut, dass man nicht darauf folgern kann "das ganze Areal ist zu 99% gut". Das hat einen ganz einfach Grund: GEh mal durch eine Alstadt, mach Fotos. Wenn du dich nur einen einzigen Meter bewegst, verändert sich die Sichtachse und die Perspektive: Ein Gruppe von HÄusern, die vorher im Vordergrund war, und 90% des der Fläche des Bildes ausmachte, kann nach wenigen Minuten Laufen so weit entfernt sein, dass sie, obwohl eine Häuser Gruppe, nicht einmal mehr 10 % ausmachen. Umgekehrt kann ein einziges Haus, also ein Bruchteil eines Areals,, fast 90% des Bildes bestimmen - je nach Blickwinkel. Beispiel für Letzteres: Die berühmte Fritz-Löffler Ansicht der Rampischen Strasse von Ost nach West. (diese Ansicht findest du auf der GHND website als Intro. und du wirst zugeben: wenn dieses einzige Haus verhunzt wird - ist aus dieser Perspektive nicht nur der gesamte Block, sondern die gesamte Altstadt verhunzt. Schau es dir an, das allererste Bild, das dich auf der GHND WEbsite begrüßt. Ich bin übrigens kein Mitglied der GHND.)

Wie du siehst, ist diese Mathematische Rechung "nur ein Haus ist schlecht, also sind die anderen 99 OK", eine Illusion. Ein Fehlbau ist bereits zuviel. Übrigens hat Dresden bereits tausende von Fehlbauten. Es ist nicht einzusehen, warum auch nur noch ein einziger weiterer Fehlbau einer Privatperson, die ihren privaten Geschmack mit Gewalt auf einem Kulturareal durchsetzen will, hingenommen werden sollte. Die Leute hier schätzen die Lage hier falsch ein: Der Herr Prisco ist eine reine PRIVATPERSON. Jeder Durchschnitts-Ungebildete, der abends im Unterhemd mit Bierdose Sportschau kuckt, kann das exak selbe bauen: Er braucht dazu nur viel Geld, das ist alles. Schon ist er Investor, und die Menschen sagen "Er ist Investor, er wird wissen was er tut". Er muss theoretisch nicht einmal des Lesens und Schreibens mächtig sein - drei Kreuze zählen juristisch als Unterschrift. Herr Prisco ist hiervon nicht allzu weit entfernt, und ich sehe nicht ein, warum Privatleute ein Kulturareal, das der Menschheit gehört, behandeln als sei es eine Shopping Mall in Dortmund. Andere mögen des hinnehmen, sei es aus Unkenntnis, sei es aus Nonchalence. Ich werde es nicht hinnehmen.

2)Fakt ist, dass man Dresden nicht losgelöst von seinem Land sehen kann: Du wohnst doch in Frankreich, sieh dir doch mal Deutsche Städte an, was von denen noch nach Weltkrieg und dem Toben der Modernisten übriggeblieben ist: Wie ich schon sagte, sind Köln, Düren, Emden, Stuttgart, meine Heimatstadt Frankfurt am Main und unzählige andere unwiderbringlich verloren. Sieh dies bitte in diesem Kontext. Ich finde es falsch, hier Maßstäbe für irgendeine Stadt in irgendeinem Land anzusetzen. Es gibt in Deutschland praktisch keine einzige
Großstadt mehr, die eine unzerstörte Altstadt hat!! Also, bitte: Es geht hier um mehr als nur um einen Block. Ausserdem: Wenn auch nur ein einziges solches Ding steht, abgesehen davon dass es in der Lage ist, ein ganzes Viertel zu zerstören, werden weitere INvestoren kommen, und sagen: "Wieso dürfen wir denn nicht, der hat doch auch.." Diese Präzedenzwirkung darf auf keinen Fall auch nur einen Millimeter ermöglicht werden. Wieso bauen die Modernisten denn nicht in der "modernen" Prager Strasse? Claus, ich fürchte du bist dir über dsa Ausmaß des Verlustes in Dresden nicht im klaren. Unsere ehemals schönste Stadt wurde so stark zerstört, weisst du wieviel nach dem Krieg noch in der INnenstadt stand? Ein einziges Haus stand noch. Ich kann dir ein Foto von Dresden von 1953 zeigen - die gesamte STadt ist abgeräumt. Das ist in der Geschichte der Menschheit einmalig, dass eine Großstadt komplett entsorgt wird. UNd überall dort, wo 1953 leere Flächen waren, stehen heute tote Betonwüsten, kilometerweit. Ich wohnte eine Woche in der FReiberger Strasse, in der Innenstadt. Dort triffst du am hellichten Tage keinen einzigen Menschen. Diese Gegend ist mausetot - aber sehr "modern". Dresden ist eine der traurigsten Angelegenheiten, die ich in meinem ganzen Leben kennengelernt habe.

Aber ich weigere mich, diese sinnlose Traurigkeit und den sinnlosen von Modernisten geforderten VErlust hinzunehmen: Daher werde ich kämpfen.

Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 01:38 - 07.08.2004

Zitat: "@Claus
Nein, ich will überhaupt nicht ´Recht haben. Es gibt Fakten."

- Dies ist ein Widerspruch, denn du musst Recht haben, wenn man den Fakten glauben soll. Du vertrittst Fakten. Wenn man dir nicht glaubt, glaubt man den Fakten nicht. Du musst also Recht haben und darum geht es, damit man die Fakten akzeptiert oder damit Claus die Fakten vertritt. Die Fakten und dein Drang in diesem Punkt diese durchsetzen zu müssen indem du Recht hast ist nichts, dass man getrennt sehen darf. Es ist ein und das selbe. Fakten heben nicht von alleine den Finger und sagen: Hier bin ich und so sieht es aus. Zumindest nicht in dieser Sache. Fakten müssen von Menschen wie dir vertreten werden und deswegen ist es ein unabdingbares, dass du Recht behältst, damit die Fakten Recht behalten. Das darfst du nicht voneinander trennen. Kann man auch gar nicht.

Und ich finde es gut, dass du kämpfen willst. Mach so weiter. Ich schreibe auch ein jedes mal längere E-Mails, sobald jemand wie du Adressen hereinstellt um seinen Unmut zu äußern.

Wünsche dir und anderen noch alles Liebe.

Tschüssi

PS: Ich bin froh, dass es Menschen wie dich gibt, Peter, die sich für etwas begeistern können und sich für etwas einsetzen. Ganz zu schweigen von deinem Berliner Charme, welcher dir wirkliche Identität verleiht. Das Forum ohne dich wäre wie ein Flugzeug ohne Flügel oder ein Haus ohne Fenster :).
Schoesler
Mitglied

Beiträge: 102


 

Gesendet: 13:20 - 08.08.2004

Ich war Gestern in Gent (sehr schöne Stadt) und habe die Beiträge erst jetzt gelesen.

Erstens möchte ich es klar machen, dass ich mich mit den deutschen Städten seit Mitte der 80er Jahren beschäftige (ich bin Heute 30) und dass ich ausser Frankfurt und Stuttgart alle besucht habe - Dresden schon 3 Mal- auch vor der Wende.

OK, jetzt zum Thema: es sind natürlich in D durch Krieg und Fehlplanungen sehr viel zerstört worden und dadurch kann man schon verstehen, dass es überall versucht wird, die Innenstädte schöner zu gestalten und dass dabei Gebäude rekonstruiert werden (müssen).

Früher dachte ich auch, dass die "besten" Städte auch diejenigen waren die am meisten Alstadtflair hatten und dass man deshalb so viel wie möglich rekonstruiren sollte. Nachdem ich Danzig und Warschau in 1994 zum ersten Mal gesehen habe, habe ich verstanden, dass man allein dadurch keine lebenswerte Stadt schaffen kann. Es ist genau so wichtig, dass es in der Innenstadt Wohnungen gibt sowie interessante Geschäfte usw. Das heisst überhaupt nicht, dass man Glaskisten akzeptieren soll, denn sowas finde ich auch schlecht - was Heute gebaut wird fügt sich selten gut ein, dass ist auch in Dänemark ein grosses Problem. Leider wollen die Architekten nur Glaskisten bauen (Skandinavischer Minimalismus....) was auch vom grossen Dänischen Architekt Utzon beklagt wird (kennt Ihr Utzon?). Aber manchmal ist eine Stadt trotzdem in Ordnung - so wie Köln, die zwar nicht gerade schön ist aber wo ich ohne Probleme leben könnte (Emden finde ich übrigens auch nicht schlecht, dort hat man wenigstens Regionaltypisch gebaut (Backstein usw)).

Warum finde ich Prisco dann in Ordnung?

1) Weil er sich immerhin Mühe gegeben hat (Kleinteiligkeit, Dresden-typische Merkmale).
2) Weil er das Eckhaus an der Augustusstrasse und ein anderes Gebäude total verändert hat (zum besseren!)
3) Weil dort ein gutes Mix aus Wohnungen, Büros und Geschäfte entsteht
4) Weil es endlich Leben am Neumarkt geben muss. Ich bezweifle sehr, dass die Dresdner Bürger eine jahrelange Brache besser finden.
5) Weil man überhaupt nicht sicher sein kann, dass ein anderer Investor besser baut. Heute gibt es wenigstens ein Bekenntnis zur Tradition, vielleicht ist es in 10 Jahren nicht der Fall (man kann es natürlich hoffen!)

Glaub bitte nicht, dass ich ein Befürworter der Moderne bin, das ist wirklich nicht der Fall. Für mich vertritt Prisco aber die Moderne nicht, Kaplan schon.

Claus
Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 16:37 - 08.08.2004

Mir gefällt Prisco trotzdem nicht, denn er hätte sich mehr Mühe geben müssen. Warum kann er nicht einfach selbst ein klassisches schönes Gebäude entwerfen ? Die enthalten doch auch alles was eine lebendige Stadt braucht. Läden, Wohnungne, Büros etc. All deine angeführten Punkte würden auch auf ein klassisches Gebäude zutreffen. Und wenn man Heute anfängt wieder klassisch zu bauen wird es bestimmt in 10 Jahren erst recht der Fall sein. Warum sollte sich das plötzlich drehen ? Ich habe dir gesagt, du sollst bitte diese 5 Essay Seiten durchlesen. Dort kannst du vieles lesen und siehst die Dinge dann hoffentlich etwas anders. Es ist ein Rekonstruktionsprojekt und Prisco baut weniger als 50% historisch. Das ist eine unduldbare Dreißtigkeit ! Prisco vertritt die Moderne. Er vertritt sie zwar nicht vielleicht zu 100% aber so wie er sie vertritt reicht es schon. Der Neumarkt ist nicht irgendein Platz, Schoesler. Dort darf man sich keine Ausrutscher leisten.

Zu Köln: Ich kann Köln wie Frankfurt am Main nicht ausstehen. Köln ist einfach zu häßlich. Also wirklich.Köln..baah... Kölns Altstadt gehört rekonstruiert. Dann würde ich meine Meinung etwas revidieren aber dieses Viertel um den Dom ist grauenerregend.

Dass Architektur alleine zu wneig ist, ist doch wohl klar. Aber worin befinden sich denn Wohnungen und Läden die eine Stadt lebendig machen ? In Gebäuden ! Ja, richtig. Und diese haben eine Fassade und diese sollte schön sein !. Lies doch bitte diese Essay Seiten und du wirst auch lesen, dass die Wissenschaft ganz klar die traditionellen Fassade als komplexe Gestaltung ihres Systemes eindeutig als die ursprüngliche, der menschlichen Empfindung von Schönheit angemessen ist, die man in der Schöpfung allen Lebens des Universums antreffen kann. Moderne hat nichts mit natürlicher, ursprünglicher Empfindng zu tun. Sie ist eine künstlich aufgesetzte Manipulation. Ich bin deshalb so sehr gegen moderne Gebäude, weil man nur "modern" baut. Wenn klassisches bauen die Oberhand hätte, was sie haben muss, weil sie die Perfektion der sinnlichen Befriedigung des Menschen darstellt, dann kann ich auch mit einer spektakulären Glas-Stahl Konstruktion leben die aber wirklich kein Kubus darstellen darf sondern das muss so sein wie das Sony Center oder das neue Kranzler Eck in Berlin. Das ist Stahl und Glas mit Qualität. Muss sich aber in Grenzen halten.
Roy Batty
Mitglied

Beiträge: 133


 

Gesendet: 01:14 - 09.08.2004

Hallo liebe Forengemeinde!

Jetzt ist es auch mir endlich gelungen, mich erfolgreich und ohne technikbedingte Zicken hier einzuloggen. Dachte, daß auch mein Senf es durchaus wert ist, beigetragen zu werden...zumal es sich um Dresden handelt. Keine Sorge, ich beiße eigentlich nicht, obwohl es die Klassizisten mit mir wohl schwer haben dürften(was aber nichts damit zu tun hat, daß ich in Weimar Architektur studiere :D).

Vorab erstmal...sieht die strahlend-erhabene YOUNG WHITE LADY natürlich geil aus, ich kanns nicht anders sagen. Dresden hats gepackt, gegen alle Widerstände der Feuiletons und "Aufseher". Dresden hat in den letzten Jahren überhaupt sehr viel von seiner früheren Düsternis verloren...was manchmal zu bedauern ist, denn ich mag düstere, melancholische Städte mit viel Patina. Aber es ist das zeichen für die glanzvolle Wiederauferstehung dieser Stadt...

Kurze Rede, langer Sinn ;), ich finde, der alleingelassene Beitrag aus dem Gästebuch der GHND-Seite gehört hierher; uff gähz...!

(Auf Dresdens Altmarkt und desssen Zukunft bezogen, aber die allgem. Entwicklung umfassend)
Bis kurz nach dem 1. WK war die dt. moderne Architektur auf einem guten Weg, erst durch die Internationalisten wurde die Entwicklung harsch unterbrochen(edit: dazu brauche ich hier eig. keinem was erzählen, wißdr ja selbst). Diese Zirkel wollten einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit; sie mißtrauten dem natürlichen Stilempfinden der Bevölkerung zutiefst. Man überlege, das war lange vor bundesrepublikanischen Zeiten. Der expressionistische Weg, aus dem -gerade in Deutschland- eine großartige Zukunft hätte hervorgehen können; die antikenbefreite Erneuerung und Weiterentwicklung der nationalen Bautradition hin zu einem ganz neuen Stilempfinden.
Ich persönlich gehe davon auß, daß wir in zehn oder fünfzehn Jahren Verhältnisse wiederfinden werden, die wiederum eine Neuausrichtung des allgemeinen Stilempfindens erzwingen, genau wie vor 100 Jahren. Gutzuheißen die Tatsache, daß wir aus den Fehlern gelernt haben werden bzw. dies uns mehr oder weniger fest vornehmen. Tragisch die Tatsache, daß wir zu diesem Zeitpunkt vor einer Ausgangslage stehen werden, welche ein umfassendes Bauprogramm unmöglich gemacht werden. Man könnte meinen, eine Situation ähnlich derer der um 1920. Ebendies ist eine sehr optimistische Einschätzung; der Versailler Vertrag sowie die allg. Umstände waren hart, aber nicht unumkehrbar wie gewisse Entwicklungen heute. Nun, genug davon, obwohl es mit unserem Anliegen zu tun hat, nur begreift das (noch) keiner, woher auch.
Historische Parallelen sind natürlich vorhanden, gerade in Hiblick auf den stilistischen Richtungswechsel nach einer hitzigen Phase der Stilverwirrtheit, den es -polit. gesehen vergleichbar mit der russischen Februarrevolution 1917- schon vor dem totalitären Zeitalter gegeben hatte.

Die eigentliche Aufgabe wäre es doch gewesen, die Bevölkerung dafür zu begeistern und zum ersten Male einen Volkswillen in das neue Bauen mit einfließen zu lassen. Wie wir wissen, ist dieser Einsatz durch Ignoranz und teilw. wissenden Vorsatz fehlgeschlagen; ab der Bauhausära wurde das Band zwischen Architekten und Bevölkerung durchtrennt und konnte bis auf kurze, von Mißverständnissen geprägte(und verursachte) Intermezzos bislang nicht wiederhergestellt werden.

In Dresden finden wir übrigens mehrere herausragende expressionistische Gebäude, aus denen(zugegeben, zu ihrer Zeit waren es mehr oder weniger elitäre Einzelerscheinungen, aber das hätte nicht so bleiben müssen)man einen neuen, kraftvollen und authentischen deutschen Stil hätte herausentwickeln können.
Die europäische Variante dieser kurzen Ära der "bodenständigen" ; Moderne hieß Van de Velde, die deutsche Höger(-->Chilehaus in HH).
Warum schreibe ich dieses ganze Zeug hier nieder ?

Weil ich davon überzeugt bin, daß wir alle vor demselben Dilemma stehen und wir sehr bald eine Lösung finden müssen, um unsere Städte in einer wirtschaftlich sehr schwierigen Phase selbstbestimmt zum Wiederaufbau zu bringen. Die expressionistischen Vorbilder können dabei die Richtung vorgeben; es wäre eine sehr vorteilhafte Richtung. Natürlich -ein anderes gesellschaftliches und politisches Grundsystem wird notwendig sein, aber ich denke doch, daß es in spätestens 20 Jahren unsere "Eliten" geschafft haben werden, dieses einst wohlständige Land irreversivbel vor den Baum zu fahren. Schaut euch FFM oder Berlin-Wedding an...oder die Sächsische Schweiz. Genug davon.

Dresden hat mehr als andere Städte unter den Segnungen der Internationalen Moderne zu leiden gehabt(weswegen der harsche Widerstand gegen alle Formen der jetzigen Moderne nachvollziehbar und gutzuheißen ist), allerdings sollten die Dresdner sich schon fragen, ob den Histrorismus, KLASSIZISMUS für diese Stadt das Patentrezept darstellt. Denn der Neumarkt ist eben nicht das eigentliche Herz der Stadt Dresden. Er gehört, ehemals eine sorbischspragige Vorstadt, zum öffentlichen barocken Schaubild und sollte selbstverständlich in demselben Sinne wiederhergestellt werden. Dieser Teil Dresdens trägt unbestreitbar europäische Züge und kann als wieder geschlossener Solitärstreifen am und ginter dem Elbufer seine alte Rolle im Sinfonieorchester der europäischen Kulturmetropolen einnehmen.
Aber was machen wir nun aus dem Rest ? Ein guter Teil der ätzenden Vorwürfe der Fuelleitons resultiert ja aus dem Mißverhältnis zwischen barocker Attitüde für deie Touristen und derm steppenhaften Erscheinungsbild der restlichen Innenstadt. Machen wir uns nichts vor: der Neumarkt wird das ersehnte Herz nicht werden, sondern "nur" eine notwendige Ergänzung der Barockerscheinung der EINEN, repräsentativen Hälfte Dresdens, welche sich vom Zwinger bis zum Abertinum bzw. Neustädter Palais erstreckt.

Nach wie vor schlägt das Herz am Altmarkt und Dresden wird solange unvollendet und innerlich zerissen bleiben. Richtig ist, daß der Kulturpalast aus dem Strom der Stadtgeschichte rausgerissen werden soll und muß. Richtig auch, daß die sanierten Blocks unter "Beobachtung" stehen. Für einen großen Fehler aber halte ich weiterhin die Begeisterung für die Kollhoffentwürfe, einer verheerender als der andere. Der erste, mit der breiten Front war noch am angemessensten(man bedenke, es handelt sich hier um kein Rekoprojekt, sondern um die eigenständige Weiterentwicklung/vollendung eines sehr ungewöhnlichen, aber sehr schönen prägenden Bauensebles aus den Fünfzigern, was aus vielen Gründen unvollendet blieb), wenn auch fehlerhaft. Diese Fehler hatte Kolli später nicht behoben, sondern weiterentwickelt. Greller weißer Putz, Unharmonie der Fassade, zu flachgeneigte, nicht einsehbare rote Baumarktdächer, falsche Platzierung der klassizistischen Stilelemente, wie auch dem ganzen Baukörper ein "Grundgedanke" fehlt, der ja bei den Schneidergebäuden unübersehbar war. Von der unpersönlichen Attitüde, die Kolloffs Ding -wie auch der ganze Klassizismus- ausstrahlt, mal ganz abgesehen.
Ich denke nicht, daß die grundlegenden Probleme eines solchen Ensembles mit klassizistischer Methodik lösbar sind. Einmal kann man mit diesem Stil nicht wirklich experimentieren und zweitens gehört er da einfach nicht hin...die Berliner und Postdamer können ihre Städte meinetwegen damit zumüllen, das ist mir gleich.

Die Frage steht beharrlich im Raum: Ist es denn tatsächlich unmöglich, eine "traditionelle" Bauweise; zumindest eine Anlehnung an den herrlichen sozialistischen Barock des Altmarkts, mit modernen Stilelementen zu verbinden ?
Ich zumindest denke, daß dies geht. Ja, auch mit modernen Stilelementen.
Man könnte sogar in diesen Bau ein paar Zitate des alten Kulturpalasts mitnehmen, ohne das grausige Hightechgestänge "unserer" Wanderheuschrecken, der "Staarcjitekten", nachzuäffen.
Aufgabe wäre, eine heutige annehmbare(!!) Lösung(die eig. bekannten Zutaten warme Farben, lange Fassaden, steiles Dach, behutsame "Brüche" ähnlich der des Art Deco in Bezug zum Jugendstil) zu finden, welche dann für eine zweite, die innere Achse der Dresdner Altstadt sorgen wird: die zwischen Prager Straße, Altmarkt und Schloß, das wirkliche Herz der Stadt, welches nicht für Japaner, Amerikaner und sonstige Touristen gebaut und gepflegt sein wird, sondern für die Dresdner selbst. Altmarkt und Schloß weisen Dresden in ihrer Architektur als eine deutsche Stadt aus, ein neues Großgebäude sollte das ergänzen, nicht sprengen.
Und ich finde im übrigen, daß auch die modernistische DDR-Architektur wesser ist als ihr Ruf. Natürlich - die weißgraue Kälte(die sich nicht sonderlich von der jetzigen blauen unterscheidet), die meistenteis monotonen und kubischen Formen
lassen dergleichen absurd erscheinen...gerade in einem solch geprägten Forum. Aber kennt denn z.B. jemand die Werke Ulrich Müthers(der hätte gerne am Pirnaischen oder Postplatz, oder Wiener(Lenin)platz bauen können, allesamt modern-futuristisch, aber nie monoton oder menschenfeindlich)?

Nur mal so gefragt...:look:
Oliver
Senior-Mitglied

Beiträge: 491


 

Gesendet: 02:14 - 09.08.2004

Roy Batty,
nun, ich kann nichts schönes an "sozial."
Architektur finden. Es sind doch alles
nur riesige überdimensonierte Klötze !
Alles Soltäre !

Es muss in Richtung Gründerzeit gehen !
Den Architekten ist irgendwie die
Phantasie verloren gegangen. Sie bauen
nur noch Glaskästen, dabei könnten
sie zum Beispiel den Jugendstil
weiterentwickeln. Ein Jugendstil, der
in die heutige Zeit transferiert ist.
Alles aus Stein natürlich, mit heutigen
Phantasiefiguren. Das ist es.
Von allem das Beste !!!
Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 02:35 - 09.08.2004

Ich will auch keine sozialistischen Blöcke ! Und schon gar nicht, ausschließlich !! Gegen mal hier und mal da ein paar Zuckerbäcker Bauten wie zu Stalins Zeit die man auf der Karl-Marx-Allee finden kann habe ich gewiss nichts aber wir müssen zu den Gründerzeitgebäuden. Kai hat 4 Gebäude gezeichnet die traumhaft aussehen. Den Sozialismus muss man endlich vergessen.
Roy Batty
Mitglied

Beiträge: 133


 

Gesendet: 02:38 - 09.08.2004

@ Olli

>>nun, ich kann nichts schönes an "sozial."
Architektur finden.<<

Ich denke dabei z.B. an die Fuggerei in Augsburg. Ein Bautyp, der sich auch 350 Jahre danach, in den Wüsteneien dessen, was nach der Befreiung von oben die deutschen Innenstädte waren, durchaus bewährt hätte, wäre die Form nicht grundsätzlich in Mißkredit geraten. Aber der Idee eines sozialistischen Städtebaus kann ich was abgewinnen...wenn es menschengerecht und maßstäblich dabei zugeht und nicht primär dem Repräsentationsbedürfnis eines Führers oder einer kleinen Führungsspitze bzw. deren Ideologie dient. Der Fehler war, daß man zuviel wegräumt und durch das falsche, unmaßstäbliche ersetzt hatte.

Ein großflächiger Wiederaufbau der mehrheit der zerstörten dt. Altstädte war utopisch, also hätte man, wie in Münster, zwar nicht alles wiederaufbauen, aber sich an den historischen volkstümlichen Grundformen(VOR dem Klassizismus u. Gründerstil)orientieren müssen. Gegen Abrisse minderwertiger Architektur ist nichts einzuwenden, wenn damit ein besserer Zustand als vorher erreicht wird. Nur ist das sehr, sehr selten passiert, in Ost und West(meist wurde egal ob Gründerzeit oder nicht, altes gegen häßliches eingetauscht-->siehe das Rathaus von Halle). Was aber am vorherigen geistig-kulturellen Zusammenbruch bzw. der kulturellen Diskredition und der daraus resultierenden Verunsicherung lag.

>Es sind doch alles
nur riesige überdimensonierte Klötze !
Alles Soltäre ! <<

Nicht ganz richtig. Sicher, du denkst an Kulturpalast, Platte und Palazzo Prozzi. Wie die meisten. Aber man muß es im Kontext sehen. Dresden sieht deswegen so arg mißgeschaffen aus, weil ein halbes dutzend "Generalaufbaupläne", einer dem anderen total widersprechend, über die Trümmerwüste gelegt wurden; siehste ganz deutlich am Altmarkt.

Ziel war immer, einheitliche, "harmonische" Bauensebles zu schaffen. Das klingt komisch, schließlich sind die Prager straße oder die "Innenstadt" von Chemnitz ja auch solche Ensembles, von "berühmten Leuten" wie Corbusier u.a. frühzeitig ausgedacht für den neuen menschen. Aber kennst du denn die Schneiderpläne für Dresden, anno 1953 ? Bis auf das -völlig unangemessene- Kulturhochhaus finde ich die Vorstellungen angemessen, auch wenn sie teilweise zu groß geraten sind. Aber in ihrer speziellen Ausgestaltung, die des sog. sozialistischen Barocks, hätten sie, wären die verbliebenen Reste z.B. am Altmarkt mit einbezogen worden(Magdeburg zeigte, daß dies ohne weiteres möglich war) würdig anknüpfen können an die Dresdner Baukultur. Die schändlichen Sprengungen von Kirchen, Bürgerhäusern und Villen fanden ja erst wieder en gros statt, als die Wende hin zum industriellen Bauen, Ende der Fünfziger, schon vollzogen war.
Roy Batty
Mitglied

Beiträge: 133


 

Gesendet: 02:49 - 09.08.2004

@ Weißer Wolf


Ich finde, man sollte beim sogenannten Zucerbäckerstil, einem Kampfbegriff aus Zeiten des kalten Krieges, differenzieren. Es gab die bekanntere Variante, der reinen sowjetischen Adaption. Flaches Dach, klassizistische Stilelemente, mal mehr, mal weniger stilgerecht rangesetzt...und in Höhe und Ausdehnung vollkommen überzogen sowie unwirtschaftlich. Die von dir angesprochene Stalinallee finste in Magdeburg(ironischerweise gibts da quasi nebenan die mildere Variante in verbindung mit Altbauten) und Leipzig.

Und ebenso wie beim speerschen NS-Stil die Widersprüche zwischen tatsächlicher "großzügiger" internationaler bzw. europäischer Form und nationaltümelnder Agitation. Letztere traf bei beiden Stilen eher auf die "unwichtigen" Provinzstädte zu, d.h. abseits der großen Metropolen wollte man sich bewußt an die jeweiligen regionalen begebenheiten halten. Mit Zuckerbäckerstil hatte das alles nicht mehr viel zu tun bzw. waren die eklektischen Riesenriegel beispielsweise der Stalinallee(oder den irren Vorstellungen zur Ringbebauung in Leipzig -- oder einfach den späteren Moskauer hochhäusern)vom STILGEFÜHL her gesehen(politische und gesellschaftliche Ausgangsbedingungen waren nat. völlig andere)den Stilexzessen der Gründerzeit viel näher als die oft etwas biederen, einfach gehaltenen Provinzialbauten der frühen DDR.
Weißer Wolf
Senior-Mitglied

Beiträge: 463


 

Gesendet: 02:51 - 09.08.2004

Ich möchte ein Foto davon sehen wie das aussehen soll. Ich liebe Klassizismus und bin dagegen ihn verbieten zu wollen. Klassische Architektur, dazu gehört nicht nur Klassizismus, ist perfekt für den Menschen. Das ist auch wissenschaftlich fundamentiert und das kann auch jeder empfinden, denn keiner sagt, dass so etwas häßlich aussieht.

Bei dem Wort Sozialbau sträuben sich mir die Haare. Des weiteren klingt das alles schon wieder so kompliziert und beengend, dass ich dem nicht sehr viel abgewinnen kann. Hört sich ja so an als wenn die Prager Straße beinahe okay wäre aber man hielt sich nicht an Vorgaben und am Ende fehlten 5% zur optimalen Qualität. Ist doch Unsinn. Die Prager Straße und andere Sozialbauprojekte zeigten wie häßlich Architektur sein kann. Warum sollte man nicht dne Jugendstil weiterentwickeln ? Der sah traumhaft aus. Und kreativ. Ich muss zuerst ein Bild dieses sogenannten sozialen Gebäudes sehen, danach würden wir mal weitersehen aber dieser Sozialgedanken darf auch nicht zum Allheilmittel werden, ganz egal ob der nun wirklich gut wäre. Nach Berlin und Potsdam gehören Gründerzeitgebäude und Klassizismus. Das ist elegant. Hamburg braucht gothische Häuser und Backsteinfassaden. Man sollte das nicht in jeder Stadt durch und durch gleich handhaben. Und auch Rekonstruktionen sollten alle Jahre drin sein. Und irgendwann haben wir wieder traumhafte Städte. Das ist gewiss.

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