Architectura Pro Homine - Forum für Klassische und Traditionelle Baukunst - www.aph-forum.de.vu

    

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Autor Mitteilung
Norimbergus
Stammgast

Beiträge: 82


 

Gesendet: 20:27 - 16.07.2003

Der Beitrag war schon sehr lang, aber einfach irgendwelche Zahlen heraussuchen und in eine Tabelle reinschreiben wollte ich auch nicht, da die meisten Zahlen ja auf Abschätzungen beruhen. Deren Kriterien wollte ich nicht unter den Tisch fallen lassen, wenngleich dadurch der Beitrag sehr lang geworden ist. Ich hoffe, daß das nicht zu viele vom Lesen abgehalten hat.

Meinst Du mit dem östlichen Teil den in der Sebalder Altstadt, also den Bereich der ehemaligen Sebalder Steppe? Dort ist wirklich nicht viel los. Das ist ein reines Wohngebiet, so daß es dort neben dem Burgviertel die höchste Bevölkerungsdichte in der Altstadt geben dürfte. Allerdings gibt es im Burgviertel halt noch die Touristen und damit auch Kneipen (auch die Nürnberger sollen hier früher viel fortgegangen sein, aber die Gegend ist, was dies betrifft, inzwischen ziemlich am Hund. Auch ich bin viel öfter in der Lorenzer Altstadt, etwa im Bereich um das ehemalige Katharinenkloster, unterwegs als im Burgviertel.) und zahlreiche Geschäfte (Andenken, Antiquariate,...). Davon gibt es etwa in der Tucherstraße oder in der Wunderburggasse überhaupt nichts. Erst im Norden in der Inneren Laufer Gasse und der Theresienstraße, "Hauptverkehrsstraßen" der nordöstlichen Altstadt (auch mit Bushaltestellen) gibt es zahlreiche Geschäfte und Kneipen. Dort ist der Straßenraum auch belebter (nicht nur durch Autos, auch durch Fußgänger).
Jürgen
Senior-Mitglied

Beiträge: 370


 

Gesendet: 22:58 - 14.09.2003

Komme gerade vom „Tag des offenen Denkmals“, der hier in Nürnberg abgehalten wurde. Neben einigen öffentlichen Gebäuden konnten auch vier Objekte der Altstadtfreunde besichtigt werden. Für die Interessierten wurde ein Abriss der allgemein-geschichtlichen Entwicklung, der Baugeschichte und des Alltags in einem „Baudenkmal“ dargestellt.

Es war wie sooft: Die Einwohner Nürnbergs kamen in Scharen und waren begeistert, trotzdem entsteht auch in Nürnberg der Einheitsbrei und schlechte Mischmasch vieler „Ewiggestriger Architekten“ (Tut mir leid, eine andere Bezeichnung fällt mir dazu langsam nicht mehr ein, siehe Glaskubus am Königstor):

Glas, Stahl, Sichtbeton und Exposees die einem nachhaltig einhämmern, ein Bezug zur bauliche Tradition wäre vorhanden, gab und gibt es in Nürnberg wie überall in Deutschland bis zum Überdruss.

Bezüglich des Verweises von Dirk auf die Homepage: Danke Dir ebenfalls, auch ich finde die Seite insgesamt sehr gelungen.

80% der Beschreibungen widmen sich mit viel Aufwand Gebäuden aus den vergangenen Epochen.
Schon diese Tatsache allein, macht mir die Seite sympathisch.

Ich werde demnächst die begonnene Reihe über die baulichen Besonderheiten Nürnbergs fortsetzen, dann jedoch Objekte aus der Zeit vor 1945 (und des „Nachkriegs-Brutalismus“) einstellen, die immerhin z.T. 450 Jahre an dem Fleck standen... und nicht nach 40 Jahren verrosteten.

Grüße
Norimbergus
Stammgast

Beiträge: 82


 

Gesendet: 14:29 - 15.09.2003

Auch ich war beim Tag des offenen Denkmals, hatte aber nicht den Eindruck, daß die Scharen geströmt wären. Ich war in der Landauerkapelle, den Objekten der Altstadtfreunde, dem Haus am Unschlittplatz und zum Schluß noch in Kleinweidenmühle (in einigen Objekten aber nur sehr kurz). Und fast überall waren kaum junge Menschen anwesend. Ich schätze mal, daß mindestens die Hälfte der Leute schon über 60 war. Lediglich in Kleinweidenmühle waren auch ein paar junge Familien (da war auch für die Kinder ein bißchen was geboten, sie konnten z. B. Papier schöpfen), ansonsten einige Menschen unter 40, fast überhaupt niemand unter 30. Bei der jungen Generation scheint kein sehr großes Interesse da zu sein. Aber vielleicht hat Jürgen ja andere Erfahrungen gemacht, sei es gestern, sei es sonst bei seinen Aktivitäten bei den Altstadtfreunden. In meinem Freundeskreis jedenfalls ist das Wissen über und Interesse an Architektur, Städtebau, Denkmalschutz, aber auch Stadtgeschichte nur sehr begrenzt vorhanden.
PeterBerlin
Bronzenes Premium-Mitglied

Beiträge: 584


 

Gesendet: 14:42 - 15.09.2003

hi jürgen!

Ich finde, man sollte z.b. das Pellerhaus wieder aufbauen. Ich habe ein Foto gesehen wie es früher aussah (genial ! traumhaft! wunderschön!) - und wie es heute aussieht (......***......) siehst du, ich sage lieber nichts dazu !!! ok, es muss raus: es sieht BESCHISSEN aus ! pardon aber die wahrheit muss gesagt werden.

andere Gebäude in Nürmberg müssen auch wieder aufgebaut werden. ich bin absolut dafür. Auch in Nürnberg hat die Moderne bewiesen, dass sie in den INnenstaädte mehr Schaden als Nutzen anrichtet.

übrigens, wenn du sagst: "... der schlechte Mischmasch vieler „Ewiggestriger Architekten“ (Tut mir leid, eine andere Bezeichnung fällt mir dazu langsam nicht mehr ein, "

du brauchst dich dafür meiner Ansicht nach gar nicht zu entschuldigen, jürgen - die SIND ewig gestrig!

Oder wie sonst kommt es, dass wir jungen leute alle für eine neue Architektur* sind, die unsere Altstädte wieder erlebbar macht - und die grauhaarigen Professoren im Rentenaltert unbedingt die "Moderne" fordern? Die sind doch aus dem vorletzten Jahrhundert....

jo mai, viele grüsse

PEter



---------------

*
damit meine ich eine Architektur, die weder Rekonstruktionen verbietet noch schöne Neubauten
Jürgen
Senior-Mitglied

Beiträge: 370


 

Gesendet: 17:28 - 15.09.2003

@norimbergus
Ich muss Dir mit Deiner Feststellung über das Durchschnittsalter leider recht geben. Ich hatte gestern eigentlich nur Glück gehabt, das bei allen Objekten zufällig auch Leute in meinem (unserem) Alter vertreten waren. (So um die dreissig herum)

Das ist leider ein Problem: Viele Menschen in unserem Alter, auch die kulturell/künstlerisch Interessierten haben die Architektur irgendwie abgeschrieben.

Ist ja eigentlich auch kein Wunder: Es gibt zuwenig richtig gute zeitgenössische Architektur und das z. T. geniale, grandiose aus der Vergangenheit ist weg aus den Köpfen. All die verwinkelten Gassen und Plätze der Großstädte sind Vergangenheit. (mag es die durchaus noch in Kleinstädten geben...)

Da eine ganze Gesellschaft jahrzehntelang die Schönheit der deutschen Architektur und Stadtkunstwerke ausgeblendet hat, kennt das heutzutage auch kein Mensch mehr.

(Mir geht es ja hier im Forum andauernd selber so: Erst die Bilder vom alten Köln haben mir klargemacht, wie schön es dort gewesen sein muss, noch vor ein paar Jahrzehnten. Frankfurt war auch so ein Augenöffner, oder Berlin, oder Potsdam...)

Was mir aber auffällt: Richtig Gefallen finden trotzdem die wenigsten jungen Leute an den deutschen Städten.

Spätestens wenn ein direkter Vergleich mit dem Ausland ins Spiel kommt, liegt dann der Fall klar: Die Städte in anderen Ländern sind dann IMMER schöner. Auch zurecht, wie ich finde!

In meinem Freundeskreis ist es aber zumindest so, das die meisten das recht lässig finden, mein Engagement bei den Altstadtfreunden und das Schutt schleppen am Samstag. Da mich die meisten schon recht lange kennen, war es wohl anfangs recht überraschend und fast schon etwas exotisch, da ich – neben Architektur und vielleicht Bildungswerte - ansonsten nicht gerade der traditionellste Typ bin.
Es wird aber Wohlwollend gesehen, auch wenn (noch) keiner soweit ist, dass er selbst mitmacht. Ich will da auch nicht missionieren o.ä....

Bezüglich der Besucherzahl muss ich Dir aber widersprechen: Ich denke schon, dass es wahrscheinlich wieder an die Tausend gewesen sein werden. (Ich habe die Zahlen noch nicht abgefragt). Auch mein subjektiver Eindruck war so. Und das finde ich beachtlich, bei einer nicht groß angelegten Veranstaltung.
Der Tag des offenen Denkmals wird ja ohne Spektakel abgehalten.
Man sollte nicht vergessen, dass es in Nürnberg ja noch zig andere Veranstaltungen dieser Art gibt, ich sage nur: Stadtverführungen, die Führungen vom Verein Geschichte für Alle jeden SA, die Führungen der Altstadtfreunde, die Abendspaziergänge mit echten Schauspielern, ... und alle funktionieren schon über Jahre.

@peterBerlin
Schön, das Du neben Dresden auch eine Faszination fürs alte Nürnberg hast. Die Stadt hat´s auch verdient...Gerade wo sie sich bundesweit seit ein paar Jahrzehnten in der Hinsicht so schlecht verkauft. Die nächsten Tage stelle ich wieder ein paar Bilder rein. Aber ich muss Dich vorwarnen: Da ist Deutsche Romantik pur angesagt, nichts für Leute mit einem Faible für eine mittelalterliche Halbmillionenstadt....


Grüße,

Jürgen
Norimbergus
Stammgast

Beiträge: 82


 

Gesendet: 20:06 - 15.09.2003

Kann sein, daß ich einfach zu viel erwartet habe. Es mag schon sein, daß der Zuspruch angesichts der vielen anderen Besichtigungsmöglichkeiten sehr gut war. Ich muß zugeben, daß ich in den letzten Jahren am Tag des offenen Denkmals meistens was anderes vorhatte, so daß mir der Vergleichsmaßstab fehlt. Vor ein paar Jahren war ich mal im Glockengießerspital in Lauf, und ich hatte gedacht, in Nürnberg müßte doch mehr los sein als dort. Aber vielleicht nutzen ja auch viele Nürnberger diesen Tag, um Objekte im Umland zu besichtigen. Schließlich ist das Programm ja auch in den Zeitungen abgedruckt und man wird somit dazu animiert, auch mal aufs Land rauszufahren. In Grünsberg soll jedenfalls Chaos geherrscht haben. Die Besucherzahl war limitiert und es wurden Nummern vergeben (wie auf den Ämtern). Ein Bekannter, der um 13 Uhr dort war, hat keine Eintrittskarte mehr ergattert. Die Führung zur Sophienquelle konnte er zwar mitmachen, aber die ist ja sowieso immer öffentlich zugänglich (immerhin hat er in der Führung einiges erfahren, was er noch nicht gewußt hat).

Eine Erklärung für das Desinteresse der "Jugend" habe ich nicht. Sicher fehlt es an Anschauungsmaterial, aber selbst das, was da ist, ist unbekannt. Erst vor ein paar Wochen habe ich mich auf einer Geburtstagsparty mit jemandem unterhalten, der erzählt hat, daß er bis vor kurzem keine Ahnung vom Burgviertel hatte. Er bekam dann Besuch, und dieser wollte ein bißchen was von Nürnberg sehen. Da hat er sich etwas informiert und war überrascht, welch schöne Ecken es in Nürnberg gibt. Dieser Mensch geht auf die Dreißig zu und lebt schon immer hier!
Oder einer meiner besten Freunde: der hat seit einigen Jahren einen Bekannten in Rotterdam (eigentlich Surinamer). Dieser war schon mehrere male zu Besuch und hat nur die Wohnung meines Freundes, die Wohnung von dessen Eltern und zahlreiche Bars und Kneipen zu Gesicht bekommen. Als er auch mal was vom historischen Nürnberg sehen wollte, hat mein Freund mich gebeten, eine Stadtführung zu machen, weil er selbst keine Ahnung hatte.
Ein ähnlicher Fall ist meine Cousine. Die hat sich schon mit einer Freundin, die zu Besuch da war, in diese Touristen-Bahn gesetzt, weil sie selbst nicht in der Lage war, ihrer Freundin auch nur einige wenige Objekte zu zeigen. Und solche Besucher wollen ja meist keine ausführliche Stadtführung. Ein paar Highlights reichen da völlig, aber selbst das konnte meine Cousine oder dieser oben erwähnte Freund nicht bieten.
Aber vielleicht ist das ja in anderen Ländern ähnlich. Vielleicht ist es normal, daß sich die meisten Menschen erst in fortgeschrittenem Alter für solche Dinge interessieren. Ich befürchte aber, daß der Fall eher so gelagert ist wie bei der klassischen Musik. Die Leute gehen nicht öfter in die Oper oder ins Konzert, wenn sie älter werden (zumindest nicht in dem gravierendem Ausmaß, daß sich damit die Altersstruktur des Publikums erklären ließe), sondern das Publikum wird wegsterben.
Dirk1975
Moderator

Beiträge: 435


 

Gesendet: 14:37 - 18.09.2003

Hier habe ich zwei aussagekräftige Beispiele für die "Sensibilität" in Bezug auf Kunst im öffentlichen Raum bzw. Neubau zwischen Altbaubestand am Beispiel Nürnberg gefunden. Man beachte das Graffiti am Sockel des Kunstwerkes .

[Link zum eingefügten Bild]
Am Sand(?)

[Link zum eingefügten Bild]
Stadtteil Johannis
Jürgen
Senior-Mitglied

Beiträge: 370


 

Gesendet: 00:41 - 23.09.2003

Liebe Freunde,

vor einiger Zeit erwarb ich das längst nicht mehr aufgelegte Buch „Nürnberg, verfasst vom damaligen Direktor des Deutschen Kunstgeschichtlichen Instituts in Florenz, Friedrich Kriegbaum. “(Deutscher Kunstverlag, 3. Auflage, 1944)

Kriegbaum (Text) und Titzenthaler (Fotos) erstellten zusammen mit der Staatlichen Bildstelle Berlin über 1300 Bilder über das alte Nürnberg und geben so einen Überblick, was Nürnberg damals war.
Sie zeichnen die Stadt vor ihrer Zerstörung 1945 und machen die städtebaulichen Irrwege der letzten Jahrzehnte (die bis heute andauern) für jeden Betrachter eindeutig.

Beim Durchblättern des Buches scheint die Zeit stehen zu bleiben. 500, 600, 700 Jahren Geschichte wird Leben eingehaucht.

Ursprünglich wollte ich mit dem Kauf nur meinen Bildbestand über Altnürnberg aufbessern und einige „weiße Flecken in meinem geistigen Stadtbild“ ausmerzen. Die weißen Flecken ausmerzen, um wenigstens im geistigen Auge die brutalsten Objekte der Nachkriegs- und Gegenwartsarchitektur auszublenden.

Gestern las ich jedoch einige Passagen des Textteils und entdeckte eine Stelle, die mir seitdem nicht mehr aus dem Sinn geht, die mir einfach das Wasser in die Augen treibt.
Deswegen der Anlass, euch an dem kleinen Werk teilhaben zu lassen, der besagte Textteil folgt am Ende des Beitrags.


Der Autor schreibt in seinem Vorwort (wie gesagt Stand 1944):

Das Bauliche Werden der Stadt

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„Nürnberg ist die besterhaltene Großstadt des deutschen Mittelalters. Wie kaum eine zweite Stadt ist sie eine grandiose Selbstdarstellung städtischen Gemeinschaftswillens in gebauter Form. Unberührt vom fürstlichen Bauen der Barockzeit und wenig verändert vom Umbaueifer des vorigen Jahrhunderts bietet sie das seltene Beispiel eines in rätselhafter Sicherheit gewachsenen Siedlungsorganismus. Dieser ist ein durch Jahrhunderte gleichmäßig wiederholtes Bekenntnis dessen, was sich die Bevölkerung unter dem Zusammenleben in einer städtischen Gemeinschaft einst vorstellte und zugleich die unmittelbare Widerspiegelung einer politisch und wirtschaftlich vielseitigen Geschichte. (...)

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Fembohaus, 2.Hälfte des 16. Jahrhunderts

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Toplerhaus, 1590-97


Hier folgt eine Beschreibung der Stadtviertel Lorenz und Sebald und der Entstehung des Mauerrings bis zu dessen Verbesserung und Verstärkung durch den Italiener Antonio Fazuni (1538-45), die ich nicht näher wiedergebe.

Nachfolgend die Teilansichten der beiden Stadtviertel:

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Blickrichtung Lorenzer Teil, Aufnahme ca. 1940

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Blickrichtung Sebalder Teil, Aufnahme ca. 1940

Anbei nun drei Bilder über die Wehranlagen:

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Aus: „Befestigung der Städte“ von Albrecht Dürer, 1527

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Alter Spittlertorturm mit rundem Steinmantel von 1557

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Frauentor, Ende 14. Jahrh.

...weiter nach Kriegbaum:

„Als im späteren 15. Jahrhundert Nürnbergs große Zeit der geistigen Führung in Deutschland heraufzog, als die Stadt durch günstige Fügungen zum unbestrittenen Mittelpunkt der deutschen Kunst wurde und als sie ihre Tore weit öffnete für jene abendländischen Strömungen geistiger Freiheit, da zogen diese Bewegungen in eine im Wesentlichen schon „fertige“ Stadt ein.

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Apollobrunnen von Peter Flötner, gegossen Hans Vischer, 1532
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Engelsgruss, Lorenzkirche, Veit Stoß, 1517-19
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Oberlichtgitter Toplerhaus, Ende 16.Jhd.
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Türschloss Pellerhaus, 1605-07
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Wohnzimmer Tucherhaus, Hirschelgasse
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Sebaldusgrab von Peter Vischer und seinen Söhnen, 1508-19

Dürer, Stoß, Kraft, Vischer, Pirckheimer, Celtis, Melanchthon und Hans Sachs lebten schon in einem „alten Nürnberg“, soviel sich an einzelnen Bauten in und nach ihrer Zeit auch noch verändern mochte.“

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Hauptmarkt
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Pellerhaus, Wendeltreppe
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Pellerhaus, Kamin

„Das Gesicht der Stadt, ihre Einmaligkeit, der heute noch ungebrochen in allen Gassen aufspürbare Charakter war festgelegt aus dem hohen Mittelalter her.“

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Fleischhaus an der Fleischbrücke, 1570
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Fleischbrücke von J.Wolff d. Ä., 1596-98

„Die Frage nach dem räumlichen Gehalt der Straßen- und Platzgestaltung zu stellen, ist in einer mittelalterlichen Stadt von grundlegender Bedeutung. Gewiss ergeben sich Lage und Führung der Straßen zunächst immer aus dem praktischen Zweck; Verkehrsstraßen müssen verbinden, Markt- und Gewerbestraßen müssen Platz bieten. Sind aber diese Zweckbedürfnisse befriedigt, dann erfolgt die eigentliche künstlerische Gestaltung der Strassen unter der Fragestellung der in einem höheren Sinne verstandenen Bewohnbarkeit einer ganzen Stadt.

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Tucherstrasse
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Pellerhaus, Jakob Wolff d.Ä., 1605, Schauseite am Egidienberg

Die auffälligste Eigenschaft ihrer Gassen ist die überall gesuchte Blickbegrenzung. Das Auge, das nicht abschweifen kann, verweilt in den nächstliegenden Bezirken, tastet wieder und wieder die vor ihm liegende bewegte Form der Häuserfronten ab und erhält dabei eine ähnliche Beruhigung wie in einem Innenraum.

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Rathausgasse

Dieser Raum verändert aber sein Gesicht, sobald man sich in diesen Gassen bewegt. Wenige Schritte ergeben ein neues Bild. Es ist, wie wenn man in ein anderes Zimmer in der gleichen Wohnung käme. Straßen mit gleichmäßig ebenen Fronten, wie sie die Barockzeit schuf, bieten solche Erscheinungen nicht.

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Dötschmannsplatz

Man hat jene sich im Abschreiten stetig verändernde Strassengebilde „anheimelnd“ genannt. Wenn man diesen etwas abgegriffenen Ausdruck richtig versteht, so trifft er eine Wahrheit, solche Straßen sind in hohem Grade bergend, erwecken ein Gefühl des beschütztseins und des Beieinander- und Miteinanderwohnens, das die neuere Stadtbaukunst so nicht mehr zu bieten hat.

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Hauptmarkt gegen Sebalduskirche

Und nun stelle man sich vor, in wie viel höherem Grade als heute solche Gassen im Mittelalter bewohnt, von den Anwohnern „benutzt“ wurden: Die Werkstätten lagen offen nach der Straßenseite, Handwerk und Gewerbe spielten so in die Straßen hinein, Handel und Gewerbe wickelte sich weit mehr auf den Strassen als in den Höfen ab, die Aufzugserker verraten es noch heute.

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Nassauerhaus, 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts (unterer Teil)

So wurde der Straßen – und Platzraum von selbst zum Sinnbild des gemeinsamen Geborgenseins. Man versteht diese Straßenbilder schlecht, wenn man sie nur gemütlich findet. Man spürt die Schauplätze und Zeugen eines harten, unerbittlichen und in seiner Ursprünglichkeit nach innen und außen gerichteten Lebens.

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Tucherstrasse gegen Obstmarkt
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Winklerstrasse

Es versteht sich von selbst, das mit der Würdigung bedeutender Einzelbauten in einer solchen Stadt noch nichts gewonnen ist. Gewiss besitzt Nürnberg deren genug, aber sie erhalten alle ihren Sinn erst als Glieder jenes mit gefühlsmäßiger Unfehlbarkeit gewachsenen ganzen, das eine unmittelbare Verwirklichung des städtischen Heimatbewusstseins im mittelalterlichen Deutschland ist.

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Giebelhaus, Ecke Tucherstrasse u. Ebnersgasse, 14. Jahrhundert

In diesem lebendigen Ganzen ist die Platz- und Straßenwand wichtiger als die sich vordrängende Fassade. Einer solchen städtebaulichen Einheit konnte dann auch das Auswechseln einzelner Häuser in moderner Zeit nur wenig schaden.

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Obstmarkt

Neu- und Umbauten von Bürger- und Patrizierhäusern sind um die Wende des 16. und 17. Jahrhunderts zahlreich und aufwändig. Dieser Zeit entstammt ein großer Teil bedeutender Häuser. Zum Ende des 17. Jahrhunderts ist noch einmal eine Welle eifrigen Neu- und Umbauens von Wohnhäusern festzustellen.

Aber all dieses Nachblühen hat nicht mehr vermocht, das festgeprägte Gesicht Nürnbergs zu verändern. Der Fall des Rathaus-Neubaus von 1616 ist lehrreich:

Gewiss wollte man einen modernen, fremdartigen Prunkpalast im Sinne der internationalen, italienisch geprägten Baukunst der Zeit in das Stadtbild hineinstellen. Was dabei herauskam ist das gerade Gegenteil, eine schwerblütig-großartige Fortsetzung des mittelalterlichen Baugeists der Stadt.

Als der Baumeister von seiner vorbereitenden Studienreise nach Italien zurückkam, hat ihn das mächtige, unzerstörbare Antlitz des „alten Nürnberg“ bezwungen, das noch jeden wirklichen Baumeister beugte, der seither am Stadtbild etwas verändern musste. Und dieses Stadtbild wird auch jeden zügeln, der in Zukunft etwas hinzuzufügen hat an dieses aus einem uns entrückten Geiste geborene Stück der Heimat.

Dieser letzte Absatz macht mich unendlich betroffen, er ist der schmerzhafte Anlass des Beitrags:.... „Das mächtige, unzerstörbare Antlitz...“

Was ist nur aus diesem einzigartigen Stadtorganismus, dieser begehbaren Wohnung für zigtausend Menschen geworden?

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Tucherstrasse 1945, Ergebnis des Wahnsinns einer Gesellschaftsutopie im 20.Jahrh.

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Kaufhof, Ästhetik u. Schönheitsbegriff im 20.Jahrh. I

[Link zum eingefügten Bild]
Norishalle, Ästhetik u. Schönheitsbegriff im 20.Jahrh.II

[Link zum eingefügten Bild]
Scharrer-Gymnasium, Ästhetik u. Schönheitsbegriff im 20.Jahrh. III

[Link zum eingefügten Bild]
Anbau zum Dürerhaus (dahinter das Dürerhaus selbst), Ästhetik u. Schönheitsbegriff im 20.Jahrh. IV

Wie sehr wurde Nürnberg doch ausgelöscht, nicht nur während des (selbstentfesselten) Krieges, sondern auch in den Jahrzehnten danach und noch bis heute. Wie sehr ist dieser Respekt für Bestehendes und die Demut beim Bauen verloren gegangen.

Wie sehr trifft dies auch für so viele andere Städte in Deutschland zu.
mathias
Senior-Mitglied

Beiträge: 315


 

Gesendet: 01:29 - 23.09.2003

Wahnsinn! Danke, Jürgen, für die Bilder und Texte. Unglaublich, wie schön diese Stadt einmal war! Plätze, Straßen und Türme wie in Siena, Brügge, Carcassonne...
Das kann nicht alles einfach so resignierend für immer aufgegeben werden. Das alte Nürnberg ist Teil des europäischen Kulturerbes, auch künftige Generationen haben ein Recht darauf, dieses städtebauliche Gesamtkunstwerk zu erleben!

Pilaster
Stammgast

Beiträge: 97


 

Gesendet: 20:25 - 23.09.2003

"Ästhetik u. Schönheitsbegriff im 20.Jahrh."

Ausgezeichnete Gegenueberstellungen, Juergen, danke! :)

Als Betrachter fragt man isch natuerlich immer, Wie kann das angehen? Wie konnte das nur passieren?

Eine Tragoedie nach der anderen!

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