Architectura Pro Homine - Forum für Klassische und Traditionelle Baukunst - www.aph-forum.de.vu |
|
Seiten mit Postings: 1 2 3 | zum Seitenende |
|
Autor | Mitteilung |
Jürgen Senior-Mitglied ![]() ![]() ![]() ![]() Beiträge: 370 | Gesendet: 13:25 - 24.02.2004 Braunschweig hatte bis zum 2. WK eine in Norddeutschland in dieser Größe wohl einzigartige Fachwerksubstanz aufzuweisen. Dicht an dicht drängelten sich die uralten Häuser, die meisten in der Entstehung bis ins 15. Jahrhundert zurückreichend. Flechtwerk, Lehm und Holz als dominiernde Baustoffe, verteilt über eine riesige Fläche Innenstadt. Deutsches Mittelalter in Reinform war hier wohl überall spürbar, sieht man sich alte Photographien an: [Link zum eingefügten Bild] [Link zum eingefügten Bild] [Link zum eingefügten Bild] [Link zum eingefügten Bild] [Link zum eingefügten Bild] [Link zum eingefügten Bild] Neben vielen kleinen Angriffen wurde das bauliche Gesicht der Stadt am 15. Oktober 1944 nahezu weggewischt: Die Innenstadt verlor bei einem Fliegerangriff bis auf die wenigen steinernen Ausnahmen alles an Bausubstanz, was vorhanden war. Je nach Quellen wird von 90 bis 100% Zerstörung gesprochen: Ein Identitätsverlust, der in Deutschland seinesgleichen sucht und bis heute Nachwirkungen zeigt. Nach dem 2.WK wurde der Wiederaufbau vor allen Dingen unter verkehrstechnischen Gesichtspunkten betrieben: Auf den ehemals kleinteiligen Parzellierungen wurden großmaßstäbliche Kaufhäuser und Bürohäuser errichtet. Funktionstrennung (und hohe Mobilität zwischen den "Funktionen") war hier wie anderswo in D sehr groß geschrieben. Alte historische Bezüge wurden oftmals unwiederbringlich zerstört. Die Zonenrandlage nach dem 2.WK und die große Fläche der Innenstadt sorgten dafür, das auch heute noch - 55 Jahre nach Ende des Krieges viele Baulücken und freie Plätze zu finden sind. Direkt nach dem Krieg wurde in Braunschweig im Grunde genommen also wie überall in Deutschland verfahren. Für den individuellen stadthistorischen Kontext Braunschweigs ergaben sich aber dramatischere Auswirkungen als es beispielsweise die Strassenverbreiterungen in Berlin verursachten (wo es ja keine mittelalterlichen Parzellen gab). Durch jüngste Rekonstruktionsprojekte wie der "Alten Waage" oder dem "Braunschweiger Schloss" scheint sich nach 50 Jahren "Moderne Stadtplanung Braunschweig" die Bevölkerung wieder zu Wort zu melden. Man kann es Braunschweig nur wünschen, wenigstens einen Teil der baulichen Stadtgeschichte zurückzugewinnen. Wie für so viele deutsche Städte gilt: Komplettrekonstruktion ist im Falle Braunschweigs sowieso niemals möglich, dazu war Braunschweig einfach zu überbordend an Mittelalterlichen Objekten, aber eine Annäherung an das Verlorene muss doch erlaubt sein! Die 50er bis 70er Jahre Architektur und Stadtplanung im Falle Braunschweigs zeigt jedenfalls zu viele Defizite, als dass sie auf Dauer toleriert werden kann! Z.B. "Nickelnkulk" 1944: [Link zum eingefügten Bild] "Nickelnkulk" heute als Baulücke, dahinter die typische Nachkriegsbebauung: [Link zum eingefügten Bild] |
Oliver
Senior-Mitglied ![]() ![]() ![]() ![]() Beiträge: 491
|
Gesendet: 17:31 - 24.02.2004 Ich habe Braunschweig eigentlich gar nicht so schrecklich in Erinnerung ! Nun gut, kein Vergleich zu dem früheren Braunschweig, aber man kann doch sagen, daß man sich im Gegensatz zu anderen Städten schon sehr stark am Alten orientiert hat. So gefällt mir zum Beispiel Braunschweig viel besser als etwa Münster oder Bremen. Hier wurde viel mehr zerstört. |
Ben
Goldenes Premium-Mitglied ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() Beiträge: 1337
|
Gesendet: 17:58 - 24.02.2004 Oh ja, das ist eine ganze Menge! Das Eulenspiegelhaus, mit diesen "Rädern" sieht interessant aus! Ich steh' allerdings nich so auf Fachwerk - ist mir zu rustikal...Außerdem kenne ich nur die Autobanabfahrt nach Braunschweig (und ich glaube den Bahnsteg im Hauptbahnhof). Weiß also nicht, wie es abgsehenhen von diesem "Nickelnuckel" und dem Schloss sonst dort aussieht..... Wieso hat die Kirche den nur einen Turm? Ging Fürst Sonstnochwie das Gedld aus oder wurde der zerstöhrt und nur so wiederaufgebaut, damit es nicht reingeregnet |
Jürgen
Senior-Mitglied ![]() ![]() ![]() ![]() Beiträge: 370
|
Gesendet: 19:49 - 24.02.2004 @ben Ja, witzig der Name. Dachte auch erst, ich hätte mich verlesen... Stimmt aber und ist wahrscheinlich irgendein Wort, mit mittelaterlichem Ursprung... Aktuelle Bilder von Braunschweig habe ich ebenfalls nicht, wäre mal interessant, jemanden aus der Stadt hier im Forum zu haben. Vor allen Dingen über das Wiederaufbaukonzept würde ich gern mehr wissen und ob ein Altstadtverein oder ähnliches existiert. Grüße |
Kai_2
Senior-Mitglied ![]() ![]() ![]() ![]() Beiträge: 288
|
Gesendet: 19:53 - 24.02.2004 ich frage mich immer wieder, in was für einem land wir leben, in dem soviel geschichte, tradition und kultur mutwillig zerstört wurde und immernoch wird!? braunschweig muss sehr schön und charmant gewesen sein. |
Rösch
Senior-Mitglied ![]() ![]() ![]() ![]() Beiträge: 343
|
Gesendet: 22:54 - 24.02.2004 Vielen Dank für deine Ausführungen zu Braunschweig. Im Zusammenhang des Wiederaufbaus in den Jahren nach dem 2.WK möchte ich noch an Pforzheim erinnern, das heuer am 23.Februar ebenfalls an die fast komplette Zerstörung des alten Pforzheim gedenkt. Im Radio habe ich auch in den Nachrichten und in einem Beitrag davon gehört. Ein Zuständiger der Stadt lobte darin geradezu den Wiederaufbau nach städtebaulichen Gesichtspunkten der 50er Jahren Die Disskussion um alte Fassaden, die man nach dem Krieg hätte retten können sei falsch, der komplette moderne Wiederaufbau war damals und (jetzt kommt es) wäre auch heute noch richtig. |
Sonicted
Stammgast ![]() ![]() Beiträge: 68
|
Gesendet: 00:07 - 25.02.2004 Ich bin auch kein großer Fan von Fachwerk, aber hübsch sieht es allemal aus (nur drin wohnen möchte ich nicht).Braunschweig scheint sehr hübsch gewesen zu sein, vor allem die Kirche gefällt mir. Leider habe ich die Stadt noch nie besucht, um mir das heutige Erscheinungsbild anzusehen, aber ich habe andere Leute eher positiv über Braunschweig reden hören. Die Geschichte über Pforzheim kann wirklich nur ein Witz sein. Hier im Forum gilt die Stadt doch als die HÄßLICHSTE Deutschlands; und nicht nur hier unter Architekturfans, denn eine meiner Bekannten meinte vor einiger Zeit zu mir, wie häßlich und schrecklich die Stadt doch sei. Man kann sich nur wundern. Ob dieser Mann Pforzheim wirklich schön findet? Wohl kaum. Für solche Menschen ist das ganze wohl weniger eine ästhetische Frage, als eine Frage des "korrekten" Umganges mit der Vergangenheit (Stichwort "Disneyland" und "Verfälschung"). So muss sich nie jemand einen Fehler beim Wiederaufbau eingestehen. Am meisten nervt mich dabei die konstante Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Die Aussage "es war damals und ist auch heute noch richtig" wirkt ja fast schon drohend. |
Ein_Hannoveraner
Stammgast ![]() ![]() Beiträge: 65
|
Gesendet: 00:12 - 25.02.2004 @ Jürgen Ich habe einige Dutzend Bilder, leider aus der Pre-Digicam-Zeit (bei mir noch 2001), also auf Diapositive. Übrigens mache ich seit Jahren Stereo-Bildpaare von Gebäuden und (Stadt-) Landschaften als Dias, nach einem einfachen Verfahren, Bestand ca. 2.500 Motive aus vielen, für uns interessanten Städten. Die Braunschweig-Bilder habe ich damals wg. einer Semesterarbeit zum Thema "Traditionsinseln" gescannt, leider hab ich nur ein 56-K-Modem und bin bisher noch nicht dahinter gekommen, wie ich eigene Bilder hier hochladen kann. Es sind aber interessante Motive zum Thema "Tradition und Moderne" dabei. |
Jürgen
Senior-Mitglied ![]() ![]() ![]() ![]() Beiträge: 370
|
Gesendet: 01:58 - 25.02.2004 @hannoveraner Das hört sich interessant an, genau das richtige für unser Forum. Was hältst Du von einem Treffen Mitte Juni, dann können wir unsere Aktionen etwas bündeln. Das mit den Bildern hochladen ist wirklich nicht schwer, es gab hier im Forum schon einige Anleitungen! Grüße |
Oliver
Senior-Mitglied ![]() ![]() ![]() ![]() Beiträge: 491
|
Gesendet: 02:01 - 25.02.2004 Hallo Jürgen. ![]() Gut gemacht. ![]() |
H. C. Stössinger
Senior-Mitglied ![]() ![]() ![]() ![]() Beiträge: 422
|
Gesendet: 17:56 - 25.02.2004 Sehr interessant, Jürgen! Das Beispiel Nickelnkulk zeigt doch wieder ganz deutlich, wozu moderner Städtebau in der Lage ist zu leisten. Ich finde es immer sehr interessant und wichtig, auf Städte und Bezirke einzugehen und die Schwächen der Nachkriegs- Post- und Jetzt-Moderne zu zeigen. Hier und am Nürnberg-Beispiel wurde das im Forum schon gezeigt. Sollten alle mal versuchen - eine Retrospektive ihrer Heimat. Könnte eine interessante Bibliothek werden und wunderbares Arbeitsmaterial für die geplante Netzpräsenz der APH's... |
- Braunschweig - Tiefer deutscher Traum und Gegenwart - | zum Seitenanfang |
|
Version 3.1 | Load: 0.003567 | S: 1_2 |